11.11.2025
"Viele Unternehmen verstehen Community noch als Plattform mit Zugangsbeschränkung"

Prof. Dr. Carolin Durst, Professorin für Digital Marketing und Studiengangleiterin Digital Marketing (DIM) an der Hochschule Ansbach, hielt bei den B2B Communication Days 2025 in Würzburg die Keynote “Mehr als Kanäle: Wie du mit Community Denken Omnichannel im B2B neu definierst”. Im Kurzinterview mit Bernd Adam, Geschäftsführer Deutsche Fachpresse, blickt sie nochmal auf das bisherige Verständnis von Communitys, was diese ausmacht und warum Vertrauen neben Know-how ein wichtiger Anker ist.
Bernd Adam: Frau Professor Durst, Sie sagen voraus, dass im B2B-Umfeld zukünftig KI-Agenten im Auftrag der Kunden die digitalen Touchpoints ansteuern werden, um Produkte zu finden, zu vergleichen und auszuwählen. Braucht es da noch den Menschen?
Prof. Dr. Carolin Durst: Ja, unbedingt. KI-Agenten übernehmen künftig viele Informations- und Vergleichsprozesse – sie reduzieren Suchkosten und treffen sogar Vorauswahlen. Doch die Entscheidung, mit welchem potenziellen Anbieter man zusammenarbeiten möchte, diese Entscheidung ist gerade im B2B sehr komplex und selten rein rational. Hier spielen Vertrauen, Sympathie und emotionale Bindung zum Anbieter eine entscheidende Rolle. Das müssen wir wieder verstärkt über die “Human Touchpoints” aufbauen – so entsteht Differenzierung durch Empathie und Integrität.
Sie vermissen Vertrauen als Kategorie im klassischen Marketing-Funnel und setzen dem Ihr Orbit-Modell entgegen. Warum?
Das Funnel-Modell ist gänzlich ungeeignet, um Vertrauen in die Unternehmensmarke aufzubauen. Er hat ein Ziel: Conversion. Über Nurturing, Call-to-Actions soll der potenzielle Kunde weiter qualifiziert werden, bis am Ende der Kaufabschluss steht. Wir brauchen aber das Vertrauen, damit sich der Kunde für uns entscheidet. Vertrauen wirkt zirkulär: Es entsteht, wird gepflegt und weitergegeben. Das Orbit-Modell bildet genau das ab – Beziehungen in unterschiedlichen Nähe- und Intensitätsstufen zum Unternehmen (dem Gravitationszentrum), die durch Vertrauen, Kompetenz und Kontinuität zusammengehalten werden. So steht nicht die Transaktion, sondern die Beziehung und das Vertrauen im Mittelpunkt.
“Eine Community ist kein passwortgeschützter Bereich, sondern eine Interessensgemeinschaft”, so Ihre Worte. Es geht also nicht um Clubs und Log-in? Denken wir B2B-Community falsch?
Ja, häufig. Viele Unternehmen verstehen Community noch als Plattform mit Zugangsbeschränkung. Tatsächlich ist eine Community aber ein lebendiges Netzwerk aus Menschen mit geteilten Interessen, Zielen oder Werten – unabhängig vom digitalen Ort. Entscheidend ist nicht die Technologie, sondern das gemeinsame Anliegen. Community-Marketing heißt, Dialogräume zu schaffen, Beiträge zu ermöglichen, Corporate Influencer und Thought Leader einzubinden und Vertrauen über echte Interaktion aufzubauen – nicht über ein Passwort.
Eines Ihrer Forschungsprojekte an der Hochschule ist “Community-Led Growth”, also wie Gründer mit einer Community erfolgreich Kunden akquirieren können. Was sind hier Ihre ersten Erkenntnisse?
Unsere Forschung zeigt, dass Community-Led Growth für B2B-Startups eine sehr effektive Markteintrittsstrategie sein kann. Eine frühe Community – oft aus “Early Adopters” oder befreundeten Expert:innen – hilft, Feedback zum Produkt zu bekommen, Vertrauen und Sichtbarkeit aufzubauen und Markteintrittsbarrieren zu senken. Statt teurer Werbung entstehen wertschöpfende Interaktionen, die Wissen, Empfehlungen und Leads generieren. Besonders im Software-B2B-Bereich verkürzt Community-Led Growth die langen Vertriebszyklen, stärkt die Glaubwürdigkeit und reduziert Kosten.
Kurz auf den Punkt gebracht: Was muss eine Community leisten, damit deren Mitglieder sich emotional und inhaltlich verbunden fühlen?
Eine Community braucht drei Dinge: Sinn, Vertrauen und Austausch. Sie muss ein gemeinsames Ziel bieten ("Purpose"), Raum für ehrliche Interaktion schaffen und kontinuierlich Mehrwert liefern – fachlich wie menschlich. Mitglieder fühlen sich verbunden, wenn sie etwas beitragen können, gesehen werden und ihre Beiträge Wirkung entfalten. Emotionaler Zusammenhalt entsteht, wenn Werte geteilt werden; inhaltliche Bindung, wenn Wissen und Erfahrungen fließen. Vertrauen ist dabei der Kitt, der beides zusammenhält.
